1. Rechtliche Grundlagen
Die Erstattung von Aufwendungen für Beiträge für eine angemessene Alterssicherung der Pflegeperson steht nach § 65 Absatz 1 Satz 1 zweiter Halbsatz SGB XII im pflichtgemäßen Ermessen des Sozialhilfeträgers; wenn der oder die Leistungsberechtigte allerdings Pflegegeld nach § 64 SGB XII erhält, er also mindestens erheblich pflegebedürftig ist (Pflegestufe I nach SGB XI), hat er einen Anspruch nach § 65 Absatz 2 SGB XII. Entscheidendes Kriterium der Ermessensausübung ist die Schaffung bzw. Erhaltung der Pflegebereitschaft der Pflegeperson.
Voraussetzung ist immer, dass die Alterssicherung nicht anderweitig sichergestellt (siehe unter 2.) und mit angemessenen Beiträgen noch erreichbar ist (siehe unter 3.).
Leistungsberechtigt ist die pflegebedürftige Person. Allerdings kann die Zahlung mit seinem Einverständnis auch direkt an die Pflegeperson erfolgen.
Leistungen kommen in Betracht für Personen, die
- nicht pflegeversichert sind (auch sog. Chipkartenfälle nach § 264 SGB V ) oder
- die Wartezeit für Leistungen der Pflegeversicherung von zwei Jahren noch nicht erfüllt haben (§ 33 Absatz 2 SGB XI ) oder
- nicht erheblich pflegebedürftig sind (Pflegestufe 0) oder
- ergänzende Alterssicherungsbeiträge für die Pflegeperson benötigen.
Beitragszahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung kommen nicht mehr in Betracht, wenn die Pflegeperson bereits eine Vollrente wegen Alters bezieht.
Ergänzende freiwillige Beitragszahlungen zur gesetzlichen Rentenversicherung sind nicht möglich, wenn bereits Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund eines Arbeitsverhältnisses der Pflegeperson oder aus der Pflegeversicherung nach § 44 SGB XI (§ 3 Satz 1 Nummer 1a SGB VI ) entrichtet werden (§ 7 Absatz 1 SGB VI ). Im Gegensatz zum SGB XI kommen jedoch für den Sozialhilfeträger im Bedarfsfall auch Beiträge für eine private Altersvorsorge, z. B. „Riesterrente“, in Betracht.
2. Nachrangigkeit der Hilfe zur Pflege
Vor dem Hintergrund des Nachrangs der Sozialhilfe ist zunächst zu prüfen, ob die Alterssicherung der Pflegeperson bereits nicht anderweitig sichergestellt ist.
Eine angemessene Alterssicherung kann beispielsweise bereits aufgrund der Pflichtversicherung im Rahmen eines aktuellen und/oder früheren Arbeitsverhältnisses sichergestellt sein. Darüber hinaus sind Ansprüche auf Alterssicherung auf der Grundlage von Vermögensrenditen, Pensionen, der betrieblichen Altersversorgung u. a. in die Prüfung einzubeziehen. Eine angemessene Alterssicherung kann aber auch dann vorliegen, wenn der Anspruch von einem anderen, beispielsweise dem Ehegatten, abgeleitet ist (Hinterbliebenen-Rente), oder aber mit diesem gemeinsam eine angemessene Alterssicherung gewährleistet ist.
Vorrangig ist die Übernahme der Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung für eine Pflegeperson gemäß § 44 SGB XI durch die Pflegekasse oder das private Versicherungsunternehmen des oder der Pflegebedürftigen (§ 3 Satz 1 Nummer 1a SGB VI). Voraussetzung ist, dass mindestens erhebliche Pflegebedürftigkeit nach§ 14 Absatz 1 SGB XI vorliegt und die Pflegeperson den Pflegebedürftigen unentgeltlich mindestens 14 Stunden pro Woche im häuslichen Bereich pflegt (§ 19 SGB XI) . Die Voraussetzung ist auch erfüllt, wenn die Pflegeperson mehrere Pflegebedürftige mindestens 14 Stunden pro Woche pflegt. Weitere Voraussetzung für die Übernahme der Rentenversicherungsbeiträge ist, dass die Pflegeperson selbst regelmäßig nicht mehr als dreißig Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Pflegepersonen im Sinne des § 19 SGB XI können auch Ordensangehörige sein, soweit die Pflegetätigkeit nicht im Dienste oder im Rahmen von deren Gemeinschaft ausgeübt wird.
Die Beitragsabführung an eine berufsständische Versorgungseinrichtung auf der Grundlage von § 44 Absatz 2 SGB XI entspricht der Beitragsabführung an den Träger der Rentenversicherung. Das Ruhen der Leistungen nach § 44 SGB XI ist in § 34 Absatz 3 SGB XI geregelt.
Es ist allerdings davon auszugehen, dass alleine durch die Beiträge nach § 44 SGB XI eine nennenswerte und damit angemessene Alterssicherung nicht erreicht werden kann. Eine ergänzende Alterssicherung über eine private Vorsorge ist daher im Einzelfall in Betracht zu ziehen.
Letztlich kann die Beurteilung, ob eine angemessene Alterssicherung bereits anderweitig sichergestellt ist, auf der Grundlage der bisher erworbenen Ansprüche und des gewöhnlichen Verlaufs des weiteren Lebens der Pflegeperson nur prognostisch erfolgen.
Es kommt dabei auf die Höhe der bei Eintritt des Rentenalters zu erwartenden Einkünfte an.
3. Übernahme/Erstattung von Beiträgen für eine angemessene Alterssicherung
Von einer angemessenen Alterssicherung der Art und der Höhe der zu erwartenden Leistungen nach ist auszugehen, wenn sie monatliche Einkünfte oberhalb des Sozialhilfeniveaus sichert.
Die Übernahme/Erstattung von Beiträgen muss dabei in einem angemessenen Verhältnis zu der zu erwartenden monatlichen Auszahlung bei Eintritt des Rentenalters stehen. Das bedeutet, dass Beiträge, die infolge des erreichten Alters der Pflegeperson unangemessen hoch wären, um noch eine angemessene Alterssicherung zu gewährleisten, nicht übernommen werden. Insbesondere scheidet eine Beitragsübernahme auch dann aus, wenn die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alterssicherung bis zur Vollendung der Regelaltersgrenze nicht mehr erreicht werden können.
Die Frage der angemessenen Höhe der Beiträge ist anhand des Umfangs der Pflegeleistungen zu beantworten. Daher ist es gerechtfertigt, hinsichtlich der Höhe der Beiträge – wie in der Pflegeversicherung – auf die Beitragsbemessung nach § 166 Absatz 2 SGB VI zurückzugreifen. Danach hängt die Höhe der Beiträge von der Pflegestufe des oder der Pflegebedürftigen und vom wöchentlichen Zeitaufwand der Pflegeperson ab.
Der Berechnung der Beiträge sind die Bezugsgrößen nach § 18 SGB IV zugrunde zu legen, die jährlich mitgeteilt werden. Aufgrund der Unterscheidung der Bezugsgrößen nach Ost und West gelten für des Land Berlin entsprechend jeweils unterschiedliche Beiträge für die östlichen und westlichen Stadtbezirke.
4. Ermittlung der zu übernehmenden freiwilligen Rentenversicherungsbeiträge in Altfällen
Für Pflegebedürftige, die bereits vor dem Inkrafttreten des SGB XI, also vor dem 1. April 1995, Leistungen nach dem PflegeG bezogen haben – Altfälle -, in denen die Leistungsgewährung zwischenzeitlich nach § 69b Absatz 2 BSHG erfolgte und die nunmehr nach § 65 Absatz 2 SGB XII zu entscheiden sind, gilt:
Für pflichtversicherte Pflegepersonen kann wegen § 7 Absatz 1 SGB VI kein Bestandsschutz geltend gemacht werden (siehe 1.).
Freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung für Pflegepersonen, die keinen Anspruch auf Pflichtversicherung durch die Pflegekassen gemäß § 44 SGB XI in Verbindung mit § 3 Satz 1 Nummer 1a SGB VI haben ( nicht pflichtversicherte Pflegepersonen ), werden weiterhin nach den bis zum 31. März 1995 gültigen Grundsätzen berechnet. Ist die Pflegeperson bei einer Pflegeeinrichtung angestellt, von der sie rentenrechtlich abgesichert wird, sind Beiträge für eine angemessene Altersversicherung nicht zu erstatten.
Die monatlichen Beiträge für Altfälle werden nicht auf der Grundlage der Bezugsgröße nach § 18 SGB VI, sondern anhand der Bruttoarbeitsentgelte ermittelt.
Bei der Bemessung der zu übernehmenden Beiträge ist davon auszugehen, dass die Beiträge als Gegenleistung für die pflegerische Tätigkeit anzusehen sind. Die Höhe des zu ersetzenden Beitrags muss demnach dem Umfang der Pflegeleistungen entsprechen. Sie ergibt sich entsprechend der bisherigen Grundsätze folgendermaßen:
Ist der Einsatz der Pflegeperson in vollem Umfang erfolgt (100 % Pflegeaufwand), d. h., war sie mindestens sechs Stunden pro Tag (einschließlich Sonnabend und Sonntag) tätig, so richtet sich der Beitrag nach dem durchschnittlichen Bruttoarbeitsentgelt. Das durchschnittliche monatliche Bruttoarbeitsentgelt wird jährlich per Rundschreiben bekannt gegeben.
Obwohl der zeitliche Aufwand für die Pflege kein Abgrenzungskriterium für die Zuordnung zu einer Stufe des Pflegegeldes nach dem inzwischen außer Kraft getretenen Gesetz über Pflegeleistungen (PflegeG) vom 22. Dezember 1994 (GVBl S. 520) darstellt, ergibt die nach diesem Gesetz zuletzt vorgenommene Zuordnung zu einer Stufe des Pflegegeldes einen Hinweis auf den zeitlichen Pflegeaufwand im Einzelfall. Der volle Einsatz der Pflegeperson kann daher im Einzelfall als erfüllt angesehen werden, wenn im Wege des Bestandsschutzes ein Pflegegeld nach Stufen IV, V oder VI gewährt wird.
Um die Ermittlung der Versicherungsbeiträge einschließlich der Verrechnung des Umfangs einer teilweisen Pflegetätigkeit zu vereinfachen, wird daher folgender durchschnittlicher Vomhundertsatz angesetzt:
Stufen IV, V, VI = 100 %
Stufe III = 70 %
Stufe II = 50 %
Stufe I = 30 %
Wird in den Stufen I bis III ein höherer Vomhundertsatz geltend gemacht, so ist hierüber ein geeigneter Nachweis zu verlangen.
Ist im Einzelfall eine weitere Pflegekraft eingesetzt, so wird der entsprechende Vomhundertsatz anteilig bemessen.
Errechnet man diese Vomhundertsätze des durchschnittlichen monatlichen Bruttoarbeitsentgelts, so ergibt sich ein anteiliges monatliches durchschnittliches Bruttoarbeitsentgelt, das die Basis ist für den über den jeweils aktuellen Beitragssatz in der Rentenversicherung zu ermittelnden monatlichen Beitrag. Sollen in Fällen des § 65 Absatz 1 SGB XII Versicherungsbeiträge übernommen werden, so ist der monatlich erforderliche Pflegeaufwand nach Lage des Einzelfalles festzustellen.
In den hier beschriebenen Altfällen ist eine Vergleichsrechnung anzustellen. Sollte die unter Nummer 3. dargelegte Beitragsberechnung auf der Grundlage des § 166 Absatz 2 SGB VI zu einer Besserstellung führen, ist diese anzuwenden.