Modul 01 zum Rundschreiben Soz Nr. 09/2015

Archiviert

Rundschreiben

Soziales

1. Pflegegeld nach § 64 SGB XII als Grundleistung

Das Pflegegeld nach § 64 SGB XII ist die Grundleistung der Hilfe zur Pflege bei häuslicher Versorgung. Voraussetzung ist, dass der oder die Leistungsberechtigte die erforderliche Pflege in geeigneter Weise selbst sicherstellt. Es soll den Leistungsberechtigten oder die Leistungsberechtigte in die Lage versetzen, die vielfältigen Aufwendungen, die mit der Pflegebedürftigkeit verbunden sind, ohne Einzelnachweis aufzufangen. Bei Vorliegen der Voraussetzungen ist es zu gewähren, auch wenn es nicht ausdrücklich beantragt wird.
Die Höhe der Leistung entspricht der des Pflegegeldes der Pflegeversicherung nach § 37 Absatz 1 SGB XI . Wegen der Vorrangigkeit der Versicherungsleistungen kommt
Pflegegeld nach § 64 SGB XII nur für Personen in Betracht, die

  • nicht pflegeversichert sind (auch sog. Chipkartenfälle nach § 264 SGB V ) oder
  • die Wartezeit für Leistungen der Pflegeversicherung von zwei Jahren noch nicht erfüllt haben (§ 33 Absatz 2 SGB XI ).

Der Anspruch auf Pflegegeld setzt einen erheblichen Pflegebedarf (mindestens Pflegestufe I) voraus. Dieses ist durch die beauftragte Gutachtenstelle analog § 15 SGB XI mittels
Formular-Gutachten festzustellen. Die Beauftragung zur Gutachtenerstellung erfolgt durch die Leistungsstelle.

Weitere Voraussetzung für die Zahlung des Pflegegeldes ist, dass der oder die Pflegebedürftige mit dem Pflegegeld dessen Umfang entsprechend die erforderliche Pflege in geeigneter Weise selbst sicherstellt (§ 64 Absatz 5, Satz 1 SGB XII; überwiegend Pflege durch nahestehende Personen). Bei der Erstbewilligung kann die geeignete Sicherstellung der Pflege dem Gutachten entnommen werden. In einem laufenden Fall ist die Sicherstellung der Pflege in der Regel jährlich zu überprüfen (Rechtsgedanke des § 37 Absatz 3 SGB XI). Die Ausgestaltung des Überprüfungsverfahrens richtet sich nach den Regelungen zum IAP.

2. Verwendung des Pflegegeldes

Mit dem Pflegegeld wird der oder die Leistungsberechtigte vor allem in die Lage versetzt, seinen bzw. ihren Pflege- und Unterstützungsbedarf durch ehrenamtliche Hilfen, insbesondere durch nahestehende Personen, mittels kleiner Geldzahlungen oder Geschenken sicher zu stellen. Es ist aber auch möglich, das Pflegegeld zur Finanzierung professioneller Hilfen durch einen Pflegedienst zu verwenden.

Nach der Besonderheit des Einzelfalles ist es daher möglich, von dem oder der Pflegebedürftigen die Finanzierung der Investitionskosten eines ambulanten Pflegedienstes aus dem (Teil-)Pflegegeld einer Kombinationsleistung nach § 38 SGB XI zu verlangen, wenn im Übrigen keine Hilfe zur Pflege in Betracht kommt.

Wenn lediglich Investitionskosten als Leistung nach § 65 Absatz 1 Satz 2 SGB XII zu übernehmen sind, und somit auch anteiliges Pflegegeld nach § 64 i. V. m. § 66 Absatz 2 Satz 2 SGB XII zu zahlen ist (siehe unten), sind die Investitionskosten mit dem anteiligen Pflegegeld abgegolten.

3. Anteiliges Pflegegeld neben einer Leistung nach § 65 Absatz 1 SGB XII

Ist eine pflegebedürftige Person nicht in der Lage, ihren Pflegebedarf mittels des Pflegegeldes nach § 64 SGB XII sicherzustellen, muss sie Leistungen nach § 65 Absatz 1 SGB XII beantragen.

Das ist beispielsweise auch der Fall, wenn eine Pflegeperson, die die Pflege unentgeltlich übernimmt, die Erstattung angemessener Aufwendungen begehrt und das Pflegegeld hierfür nicht ausreicht.

Pflegebedürftige Personen erhalten in diesem Fall stattdessen Hilfe zur Pflege nach § 65 Absatz 1 Satz 1 SGB XII (siehe Modul 2) und daneben Pflegegeld nach § 64 SGB XII. Allerdings kann dann von der Möglichkeit Gebrauch gemacht werden, das Pflegegeld um bis zu zwei Dritteln zu kürzen (§ 66 Absatz 2 Satz 2 SGB XII ). Ob eine Kürzung erfolgt, ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, in welchem Umfang sie ausfällt, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Dabei kann nach der Gleichung verfahren werden, je größer der Anteil der von der Pflegeperson übernommenen Pflege am Gesamtpflegebedarf ist, desto geringer sollte die Kürzung des Pflegegeldes ausfallen (vgl. Meßling, in jurisPK-SGB XII, § 66 Rz. 239).

Gleiches gilt, wenn statt einer Pflegeperson eine besondere Pflegekraft (Pflegedienst) die Pflege durchführt und entweder die Pflegekasse, der Sozialhilfeträger oder beide die Kosten tragen. Auch dann besteht daneben ein Anspruch auf Pflegegeld, das in angemessenem Umfang gekürzt werden kann (§ 64 in Verbindung mit § 66 Absatz 2 Satz 2 SGB XII).

Das gekürzte Pflegegeld ist grundsätzlich auch dann zu gewähren, wenn der festgestellte pflegerische Bedarf in vollem Umfang durch professionelle Pflege abgedeckt wird. Bei Vorliegen einer erheblichen Pflegebedürftigkeit ist davon auszugehen, dass neben dem
pflegerischen Bedarf zusätzlicher Unterstützungsbedarf anfällt. Zusätzlich kann beispielsweise pflegebedingt auch ein erhöhter Wäschebedarf anfallen.

Die Auszahlung des (Rest-) Pflegegeldes ist folglich nur dann zu versagen, wenn eine zweckentsprechende Verwendung tatsächlich nicht erfolgt oder nicht möglich ist. Eine entsprechende Prüfung kann nur grundsätzlicher Natur sein; Einzelnachweise sind nicht zu fordern. Das widerspräche dem Prinzip einer pauschalierten Geldleistung. Die Versagung des gekürzten Pflegegeldes muss sich daher auf Ausnahmefälle beschränken.

Soll das (Rest-)Pflegegeld ganz oder teilweise versagt werden, ist darüber ein Ablehnungsbescheid zu erlassen, in dem die Versagung begründet werden muss. Rechtsgrundlage dafür kann nur § 64 Absatz 5 Satz 1 SGB XII sein. Es muss daher im Einzelnen dargelegt werden, woraus sich ergibt, dass das (Rest-) Pflegegeld nicht zweckgerecht für die Pflege verwendet werden kann. Die Feststellungen dazu dürften regelmäßig vom Pflegebedarfsermittlungsdienst getroffen werden.

Pflegegeld, das im Rahmen der Kombinationsleistung der Pflegekasse nach § 38 SGB XI gewährt wird, ist ggf. ebenfalls auf das (Rest-)Pflegegeld nach § 64 SGB XII in Verbindung mit § 66 Absatz 2 SGB XII anzurechnen (siehe Hauptteil, Teil I – Rechtliche Grundlagen, 3.4.). Da sich in diesen Fällen die Höhe der Versicherungsleistung häufig ändert, empfiehlt es sich, eine monatliche Abschlagszahlung des (Rest-)Pflegegeldes zu leisten und die Zahlungen jährlich abzugleichen.

4. Kürzung und Beendigung des Pflegegeldes

Bei Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist Pflegegeld nicht zu zahlen (§ 63 Satz 3 SGB XII). Bei teilstationären Maßnahmen (Tagespflege) kann das Pflegegeld angemessen gekürzt werden (§ 66 Absatz 3 SGB XII) ; für die Kürzung gelten die gleichen Maßstäbe wie oben unter 3. ausgeführt.

Besteht der Anspruch auf Pflegegeld nicht für einen vollen Kalendermonat ist der Geldbetrag entsprechend zu kürzen. Dabei ist der Kalendermonat mit 30 Tagen anzusetzen. (§ 64 Absatz 5 SGB XII).

Bei Tod des oder der Leistungsberechtigten ist das Pflegegeld bis zum Ende des Sterbemonats zu leisten (§ 64 Absatz 5 SGB XII).

5. Pflegegeld als Einkommen im Sinne des EStG

Pflegegeld, das an Angehörige oder moralisch/sittlich verpflichtete Pflegepersonen weitergereicht wird, ist nach § 3 Nummer. 36 EStG steuerfrei. Eine moralisch-sittliche Verpflichtung ist anzunehmen, wenn eine enge persönliche Beziehung der Pflegeperson zu dem oder der Pflegebedürftigen besteht (siehe auch Modul 2).

zum Rundschreiben Soz Nr. 09/2015